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Please Don’t Go

Die Coverversion einer Bearbeitung ist u. U. unzulässig

Gericht Datum Aktenzeichen Entscheidungsname
BGH 11. Dezember 1997 I ZR 170/95 „Coverversion"

Zum Fall:

KC & The Sunshine Band / Double You „Please Don’t Go“ (1979, 1992)
vs.
KWS „Please Don’t Go“ (1992)
Urteil: Unfreie Veröffentlichung.
Volltext der Gerichtsentscheidung (Wolters Kluwer)

Hörbeispiele

Hörbeispiel 1 (Original):
KC & The Sunshine Band „Please Don't Go“ (1979)

https://youtu.be/dNyIntYGBOw

Hörbeispiel 2 (Coverversion):
Double You „Please Don't Go“ (1992)

https://youtu.be/gzuCAoQxr_Y

Hörbeispiel 3 (Bearbeitung des Covers):
KWS „Please Don't Go“ (1992)

https://youtu.be/Sah9arYmv2U

Hauptgutachter

nicht bekannt


Kernaussagen / Leitsatz

a)
Zur Frage des Erwerbs der Rechte zur Vervielfältigung und Verbreitung der Neueinspielung einer Liedbearbeitung, die bereits von einem anderen Unternehmen unter Mitwirkung eines anderen Interpreten aufgezeichnet und auf Tonträgern vertrieben worden ist.
b)
Ein Hersteller von Tonträgern wird gemäß § 61 UrhG nur dann (gegebenenfalls vorläufig) berechtigt, ein Werk zu nutzen, wenn eine Vereinbarung zwischen ihm und dem Urheber oder dem Inhaber ausschließlicher Nutzungsrechte (§ 61 Abs. 4 UrhG) zustande gekommen ist oder wenn er eine gerichtliche Entscheidung nach § 61 Abs. 6 UrhG, die auch im Wege der einstweiligen Verfügung ergehen kann, erwirkt hat.


Zusammenfassung

Roberto Zanetti alias Savage fertigte eine Bearbeitung des Originals in Eurodance-Gewand an . Die Version wurde 1992 von den Interpreten Double You veröffentlich. Der Tonträgerhersteller hat der Klägerin die Nutzungsrechte an dieser Bearbeitung (Z-Neufassung) für den Raum Deutschland und andere Länder übertragen. Zeitgleich zu der Veröffentlichung brachte die Beklagte die Fassung von KWS heraus, die vorab in Großbritannien erschien. Der Urheber des Originals beauftrage den Lizenznehmer ZYX-Records, der Verbreitung der KWS-Aufnahmen des Labels Network Records rechtlich entgegenzuwirken. In der Klage wird dem Hersteller von der KWS-Version vorgeworfen, die Bearbeitungsrechte am Original unrechtmäßig übernommen und somit gegen die Rechte sowohl des Original-Urhebers als auch des Bearbeiters verstoßen zu haben. Erst im Dezember 1992 wurde vertraglich eine Lizenz für die Nutzungsrechte an der Bearbeitung zwischen den Parteien geschlossen. Die Zwangslizenz ergab sich erst ab der Anfrage der Beklagten aus § 61 Abs. 4 UrhG, wonach nach Treu und Glauben anzunehmen ist, dass der Rechtsinhaber nach Veröffentlichung der genehmigten Bearbeitung in die weitere Nutzung einwilligen würde.

Das Gericht bestätigt die Auffassung des Berufungsgerichtes OLG Frankfurt, dass es sich bei der Fassung von Double You um eine schutzfähige Bearbeitung des Originals handelt. Nur weil der Bearbeiter auf dem Cover nicht genannt wird, sondern nur die Original-Urheber, greife die Urhebervermutung gemäß § 10 UrhG nicht. Nur eine Gerichtentscheidung oder ein Vertrag könne zur Erteilung der Nutzungsrechte führen. Erst im Dezember wurden Verträge geschlossen, von der Veröffentlichung bis zum Vertragsabschluss sei die Bearbeitung unberechtigt genutzt worden. Zwar sei der Urheber der Bearbeitung Z. nicht bekannt gewesen, doch da ein Exklusivvertrag über die Nutzungsrechte vorlag, greife die Regelung zu verwaisten Werken (§ 61 UrhG) nicht. Weil die Beklagte der Einstweiligen Verfügung im Juni die erforderlichen Informationen entnehmen konnte, habe sie durch den weiteren Vertrieb schuldhaft gehandelt. „Wer ein fremdes Werk nutzen will, muss sich sorgfältig Gewissheit über seine Befugnis dazu verschaffen.“ Weil ihr laut Werbung das Original bekannt war „hätte der Beklagten die Frage naheliegen müssen, ob die Neufassung, die sie vervielfältigen und verbreiten wollte, eine urheberrechtlich schutzfähige Bearbeitung sei.“ Es gelte die GEMA-Vermutung. „Unter den Parteien ist unstreitig, dass Urheber ihre Einwilligung in Bearbeitungen oft davon abhängig machen, dass der Bearbeiter nicht der GEMA gemeldet wird.“

Bis zur Erlangung der Zwangslizenz habe die Klägerin daher Anspruch auf Schadensersatz. Die Geltendmachung vonseiten des Original-Urhebers müsse noch geklärt werden.


Bedeutung

Unstreitig war, dass es sich um eine Bearbeitung handelt. Wer nun einen Song covert, darf sich nicht einfach auf bereits existierende Coverversionen berufen. Auch die GEMA-Datenbank ist nicht zuverlässig. Im Zweifel ist vorab zu klären, ob es sich bei der Cover-Vorlage um eine Bearbeitung handelt.

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Liste der Entscheidungen

Die Reihenfolge ist chronologisch (jüngste zuerst). Klicken Sie auf eine Kurzinfo, um weitere Informationen zu erhalten.
Gericht Datum Entscheidungsname
OLG Hamburg 2022 „Hey, Pippi Langstrumpf“
 Plagiat: schutzfähige Romanfigur im Liedtext
OLG Hamburg 2022 „Metall auf Metall“
 Sampling vs. Kunstfreiheit
LG Berlin 2021 „Kraftwerk“ vs. „Shrin David“
 Bearbeitung von 12 Noten
OLG Hamburg 2018 „FreiWIld“ vs. „Stahlgewitter“
 Doppelschöpfung wg. geringer Beweislast
OLG Zweibrücken 2015 „Barpiano“
 Plagiat von Piano-Arrangements
BGH 2015 „Goldrapper“
 Schutzfähigkeit kurzer verfälschter Samples
LG München 2008 „Still Got The Blues“
 Unfreie Übernahme eines Gitarrenriffs
OLG München 2002 „Conti“ vs "Struggle“
 Soundalike-Werbefilmmusik ist Freie Benutzung
BGH 2002 „Mischtonmeister“
 Schöpfung durch Tonabmischung
OLG München 1999 „Green Grass Grows“
 5 Töne sind nicht schutzwürdig
BGH 1997 „Please Don’t Go“
 Coverversion einer Bearbeitung unzulässig
BGH 1991 „Brown Girl I / II“
 Schutzfähigkeit der Bearbeitung eines Volksliedes
BGH 1988 „Fantasy“
 Melodieentnahme oder Doppelschöpfung
BGH 1988 „Ein bißchen Frieden“
 Gesamteindruck entscheidend
BGH 1980 „Dirlada“
 Geringe Gestaltungshöhe in der Popmusik
BGH 1970 „Magdalenenarie“
 Doppelschöpfung einer „wandernden Melodie“
BGH 1967 „Haselnuss“
 Bearbeitung durch schutzfähiges Arrangement
BGH 1958 „Lili Marleen“
 Übernahme eines Liedtextes

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