Green Grass Grows vs. Superstring
5 Töne aus einem Techno-Werk sind nicht schutzwürdig
Gericht | Datum | Aktenzeichen | Entscheidungsname |
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OLG München | 20. Mai 1999 | 29 U 3513/96 | „Green Grass Grows“ |
Zum Fall:Cygnus X „Superstring“ (1993)vs. Snap „Green Grass Grows (Earth Follows)“ (1994) |
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Urteil: Keine Urheberrechtsverletzung | |||
Volltext der Gerichtsentscheidung (Wolters Kluwer) |
Hörbeispiele
Hörbeispiel 2 (unabhängig):
Snap „Green Grass Grows (Earth Follows)“
https://youtu.be/BsXmtPMP4QM
Hauptgutachter
?, Parteigutachten Herr P., Dr. Edelmann., Herr. F.
Kernaussagen / Leitsatz
Zur Frage des urheberrechtlichen Schutzes von 5 Tönen eines Werks der Unterhaltungsmusik. „Ist eine Melodie vorbekannt, so ist von ihrer Schutzunfähigkeit auszugehen. Fehlende Vorbekanntheit lässt aber keinen Schluss auf die Schutzfähigkeit einer Tonfolge zu.“
Zusammenfassung
Luca Anzilotti und Michael Münzing sind Urheber von Green Grass Grows und klagten gegen Matthias Hoffmann und Ralf Hildenbeutel von Cygnus X. Die Schöpfer von Superstring haben die GEMA-Ausschüttungen von Green Grass Grows einfrieren lassen.
Das Landgericht hat eine Schutzverletzung festgestellt, denn es hielt die 5 ähnlichen Töne für schuttzwürdig. In zweiter Instanz wurde dem widersprochen. Die entnommene Melodie ist laut Sachverständigem eine „Allerweltsfloskel“, die schon bei Palestrina im gemeinfreien Vorbestand anzutreffen ist. Sie ist keine eigenpersönliche Schöpfung. Es handelt sich um einen Tonleiterausschnitt. Damit scheiden die Tatbestände Bearbeitung und Melodieentnahme aus.
Dennoch befasste man sich gründlich mit den Werken. Das Werk Superstring und insbesondere die streitgegenständliche Formteile zwei und vier seien unter Berücksichtigung aller musikalischen Elemente schutzfähig. Nach der Analyse des gerichtlichen Sachverständigen könne der „Werkcharakter im Sinne von § 2 Abs. 2 UrhG hinsichtlich der Gesamtgestalt nicht ernstlich in Zweifel gezogen werden“. Einer Schöpfung stehe nicht im Wege, dass einige Klänge aus weitgehend vorgefertigten musikalischen Strukturen aus dem Computer stammen. Allein mit der Auswahl der Elemente und der mehrmaligen Wiederholung einer metrisch gestalteten Tonfolge entstehe eine eigenschöpferische Leistung. Die konkret ausgestaltete Form mitsamt dem Arrangement begründe den urheberrechtlichen Schutz. Die vorherigen Sachverständigen hätten verkannt, dass nur geringe Anforderungen zu stellen seien.
Das nur halb so lange Werk „Green Grass Grows (Earth Follows)“ ist in seiner Gesamtgestalt keine Bearbeitung des vermeintlich vorbestehenden Werks. Es gibt in der Großstruktur keine relevanten Gemeinsamkeiten.
Die Analogien wie Tempo und Tonart sind handwerklicher Natur. Die klanglichen Gestaltungen sind verschieden. Die Begleitfiguren sorgen für unterschiedliche Stimmungen. „Beide Stücke weisen außer der gleichen streitigen Tonfolge keine die Gestaltung im urheberrechtlich relevanten Bereich bestimmenden Gemeinsamkeiten auf.“
Das Gericht rekonstruiert den Entwicklungsprozess des Snap-Werkes und kommt zum Schluss, dass die Sängerin mit einer geringen Wahrscheinlichkeit von Superstring inspiriert wurde und dennoch recht frei zum Entwurf improvisierte. In weiteren Prozessen diente „Superstring“ nicht als Vorlage. Eine Urheberverletzung liegt nicht vor.
Bedeutung
Das Gericht erkennt an, dass kein Musikexperte alle existierenden Melodien kennen muss. Wenn der Nachweis im Vorbestand nicht erbracht werden kann, kann dennoch die Möglichkeit bestehen, dass die Melodie gemeinfrei ist. Sobald eine Melodie im gemeinfreien Vorbestand nachgewiesen wurde, ist ein Urheberrechtsschutz ausgeschlossen. Dass sich das Gericht überhaupt ernsthaft mit 5 Tönen auseinandersetzt, beweist, wie gering die Voraussetzungen für einen Werkschutz sind.