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Stahlgewitter vs. FreiWILD

Ähnliche Gitarren-Riffs sind Doppelschöpfungen

Gericht Datum Aktenzeichen Entscheidungsname
OLG Hamburg 11. Oktober 2018 5 U 57/15 „FreiWild“

Zum Fall:

Stahlgewitter „Auftrag Deutsches Reich“ aus dem gleichnamigen Album (2006)
vs.
Frei.Wild „Schenkt uns Dummheit, kein Niveau“ aus dem Album „Gegengift“ (2010)
Urteil: Keine Urheberrechtsverletzung
Volltext der Gerichtsentscheidung (PrinzLaw)

Hörbeispiele

Hörbeispiel 1 (Doppelschöpfung):
Aufnahme FreiWIld „Schenkt uns Dummheit, kein Niveau“ 2010

https://youtu.be/IBAkOI856G0

Hörbeispiel 2 (Original):
Stahlgewitter: Auftrag Deutsches Reich (2006)

https://www.songsterr.com/a/wsa/stahlgewitter-auftrag-deutsches-reich-tab-s438597t2 Auf eine Einbettung des Videos, das auf alternativen Videoplattformen zu finden ist, wird aus rechtlichen Gründen verzichtet. Das Lied ist wegen der politischen Aussage von der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien am 28. Dezember 2007 als jugendgefährdend eingestuft worden (BAnz. Nr. 241). Ich distanziere mich von der inhaltlichen Aussage des Werkes. Der Link führt zur einer MIDI-Datei ohne Text, um die Tonfolge der Gitarren-Riffs vergleichen zu können.

Hauptgutachter

Prof. Dr. Schneider, Dr. Sauter (abgesetzt), weitere Gutachter: Heiko Maus, Dr. Frieler


Kernaussagen / Leitsatz

„Bei nur im Ähnlichkeitsbereich liegenden Gestaltungen seien Doppelschöpfungen im Bereich der sog. kleinen Münze, wo der Spielraum für individuelles Schaffen begrenzt sei und die Individualität nur in bescheidenem Maß zutage trete, eher möglich.“


Zusammenfassung

Der Urheber des Werkes "Auftrag Deutsches Reich" klagte gegen FreiWild. Es wurde vorgeworfen, dass ein Riff des Werkes "Schenkt uns Dummheit kein Niveau" (u. a. zu hören ab 0:22 bis 0:30) aus dem vorbestehenden Werk übernommen wurde.

Das LG Hamburg hat die Klage zurückgewiesen (siehe: http://rechtsanwalt-harzewski.de/zur-annahme-einer-doppelschoepfung/). Das OLG Hamburg legte nun auch die Berufung ab und bestätigte das Urteil der Vorinstanz. Zwar wurde dem Klagemuster eine Schutzfähigkeit zugestanden. Doch die Zusammenstellung der musikalischen Mittel sei naheliegend, zudem seien geringe Abweichungen festzustellen. Die Möglichkeit der Doppelschöpfung sei damit gegeben. Es können nicht nachgewiesen werden, dass die schutzfähige Gitarrenmelodie vom vorbestehenden Werk übernommen wurde.

Das Berufungsgericht relativiert die Aussagen des zweiten Sachverständigen, der die Schutzfähigkeit deshalb angenommen habe, weil er von einem sehr geringen Maßstab ausgegangen sei. Es sei jedoch auch im Bereich der sogenannten „kleinen Münze“ notwendig, "schutzfähige Musikwerke vom nicht dem Urheberrechtsschutz zugänglichen rein handwerklichen Schaffen unter Verwendung formaler Gestaltungselemente abzugrenzen (vgl. BGH, GRUR 2015, 1189 Rn. 64 – Goldrapper)." Da eine direkte Übernahme nicht nachgewiesen werden konnte, sei die Bestimmung der Schöpfungshöhe in vorliegenden Fall nicht relevant.

Der zweite Sachverständige verwies auf das häufige Vorkommen der Akkordfolge (Turnaround) und dass sich die Gitarrenfiguren aus Fingerübungen leicht ableiten ließen. Eine Doppelschöpfung sei demnach sehr wahrscheinlich.


Bedeutung

Das Urteil bestätigt den Umgang mit der kleinen Münze: Wenn das Ursprungswerk nur geringfügig originell ist, reicht der Abstand eines nachveröffentlichten Werks bei kleinen Abweichungen aus.

Im konkreten Fall ging es für FreiWild auch um Rufschädigung. Hätte das Gericht eine Abhängigkeit bzw. Übernahme von Stahlgewitter festgestellt, hätte sich die Band aus Südtirol nicht mehr darauf berufen können, keinen Bezug zur rechtsradikalen Szene zu haben. Die Vorwürfe standen im Rahmen der Echo-Verleihung 2013 im öffentlichen Diskurs. Ein Gutachter ist im Prozess wegen Befangenheit aufgrund der heiklen Thematik ausgeschieden. Möglicherweise hat das Gericht die politischen Begleitumstände berücksichtigt.

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Liste der Entscheidungen

Die Reihenfolge ist chronologisch (jüngste zuerst). Klicken Sie auf eine Kurzinfo, um weitere Informationen zu erhalten.
Gericht Datum Entscheidungsname
OLG Hamburg 2022 „Hey, Pippi Langstrumpf“
 Plagiat: schutzfähige Romanfigur im Liedtext
OLG Hamburg 2022 „Metall auf Metall“
 Sampling vs. Kunstfreiheit
LG Berlin 2021 „Kraftwerk“ vs. „Shrin David“
 Bearbeitung von 12 Noten
OLG Hamburg 2018 „FreiWIld“ vs. „Stahlgewitter“
 Doppelschöpfung wg. geringer Beweislast
OLG Zweibrücken 2015 „Barpiano“
 Plagiat von Piano-Arrangements
BGH 2015 „Goldrapper“
 Schutzfähigkeit kurzer verfälschter Samples
LG München 2008 „Still Got The Blues“
 Unfreie Übernahme eines Gitarrenriffs
OLG München 2002 „Conti“ vs "Struggle“
 Soundalike-Werbefilmmusik ist Freie Benutzung
BGH 2002 „Mischtonmeister“
 Schöpfung durch Tonabmischung
OLG München 1999 „Green Grass Grows“
 5 Töne sind nicht schutzwürdig
BGH 1997 „Please Don’t Go“
 Coverversion einer Bearbeitung unzulässig
BGH 1991 „Brown Girl I / II“
 Schutzfähigkeit der Bearbeitung eines Volksliedes
BGH 1988 „Fantasy“
 Melodieentnahme oder Doppelschöpfung
BGH 1988 „Ein bißchen Frieden“
 Gesamteindruck entscheidend
BGH 1980 „Dirlada“
 Geringe Gestaltungshöhe in der Popmusik
BGH 1970 „Magdalenenarie“
 Doppelschöpfung einer „wandernden Melodie“
BGH 1967 „Haselnuss“
 Bearbeitung durch schutzfähiges Arrangement
BGH 1958 „Lili Marleen“
 Übernahme eines Liedtextes

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