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Bushido- Goldrapper

Zur Schutzfähigkeit kurzer verfälschter Samples

Gericht Datum Aktenzeichen Entscheidungsname
LG Hamburg 23. März 2010 308 O 175/08 „Bushido I"
OLG Hamburg 16. November 2015 5 U 37/10 „Bushido 2"
BGH 16. November 2015 I ZR 225/12 „Goldrapper"
OLG Hamburg 03.05.2017 deest Vergleich"

Zum Fall:

Bushido Album „Goldrapper“ (2006)
vs.
„Dark Sanctuary“ (diverse Alben zwischen 1999 und 2004)
Urteil: Außergerichtliche Einigung
Volltext der Gerichtsentscheidung (Wolters Kluwer)

Hörbeispiele

Hörbeispiel 1a:
Dark sanctuary "Les Memoires Blessees" ab 1:02

https://youtu.be/O8lo9S55wSI?t=61

Hörbeispiel 1b:
Bushido "Janine"

https://youtu.be/QIk32P0_MTE

Hörbeispiel 2a:
Dark sanctuary "D'Une Mère à Sa Fille" ab 0:39

https://youtu.be/YIUokGogZ9I?t=39

Hörbeispiel 2b:
Nyze feat BUSHIDO "Es ist OK"

https://youtu.be/dI2S9nw0-Rc

Hörbeispiel 3a:
Dark sanctuary "Reve Mortuaire" ab 1:56

https://youtu.be/v

Hörbeispiel 3b:
BUSHIDO "Bloodsport"

https://youtu.be/xjS-fhCRpQc

Weitere Beispiele: - https://www.whosampled.com/Dark-Sanctuary/


Hauptgutachter

nicht bekannt


Kernaussagen / Leitsatz

a)
Bei Musikstücken liegt die für die Annahme eines urheberrechtlich geschützten Werks erforderliche schöpferische Eigentümlichkeit in ihrer individuellen ästhetischen Ausdruckskraft. Eine individuelle schutzfähige Leistung kann sich nicht nur aus der Melodie und dem Einsatz der musikalischen Ausdrucksmittel der Rhythmik, des Tempos, der Harmonik und des Arrangements ergeben, sondern auch aus der Art und Weise des Einsatzes der einzelnen Instrumente, also der Durchführung der Instrumentierung und Orchestrierung. Nicht dem Urheberrechtsschutz zugänglich ist demgegenüber das rein handwerkliche Schaffen unter Verwendung formaler Gestaltungselemente, die auf den Lehren von Harmonik, Rhythmik und Melodik beruhen oder die - wie Tonfolgen einfachster Art oder bekannte rhythmische Strukturen - sonst zum musikalischen Allgemeingut gehören.
b)
Die für die Prüfung der Urheberrechtsschutzfähigkeit erforderlichen tatsächlichen Feststellungen und ihre Würdigung liegen auf tatrichterlichem Gebiet. Sie sind in der Revisionsinstanz jedoch darauf hin zu überprüfen, ob die Beurteilung des Berufungsgerichts von den von ihm getroffenen Feststellungen getragen wird. Hierzu muss das Berufungsurteil eine revisionsrechtlich nachprüfbare Begründung enthalten. Erforderlich ist vor allem, dass der für die Feststellung der Schutzfähigkeit entscheidende Gesamteindruck und die ihn tragenden einzelnen Elemente nachvollziehbar dargelegt werden.
c)
Für die Beurteilung der schöpferischen Eigentümlichkeit eines Musikstücks und die insoweit maßgebliche Abgrenzung von nicht dem Urheberrechtsschutz zugänglichem rein handwerklichem Schaffen unter Verwendung formaler Gestaltungselemente, die auf den Lehren von Harmonik, Rhythmik und Melodik beruhen oder die sonst zum musikalischen Allgemeingut gehören, reicht das bloße Anhören eines Tonträgers durch die Tatrichter grundsätzlich nicht aus; es wird vielmehr im Regelfall die Hilfe eines Sachverständigen unerlässlich sein.


Zusammenfassung

Der Rapper Bushido hat auf mehreren Alben, darunter auch auf der CD „Von Der Skyline Zum Bordstein Zurück“ (2006) 13 durchschnittlich zehn Sekunden lange Ausschnitte aus drei Veröffentlichungen der französischen Gothic-Band Dark Sanctuary aus den Jahren 1999 bis 2004 übernommen. Die Samples ohne Text wurden geloopt, darüber wurde ein Beat gelegt und ein Rap-Gesang ergänzt.

In erster und zweiter Instanz wurde im Sinne der Kläger entschieden. Bushido hat auf die Verfremdungen verwiesen und berief sich auf die freie Benutzung. Doch die Gercichte stellten fest, dass die übernommenen Teile schutzfähig seien und die Umgestaltungen nicht ausreichten.

in der Revision wurde die Klage der Texter vom BGH, weil keine Texte übernommen wurden. Auf die Werkverbindung könne sich das Gericht nicht berufen, denn Text und Musik könnten gesondert verwertet werden. Das Berufungsgericht soll wegen der übernommenen Musikpassagen erneut über die Schutzverletzung entscheiden. Der Fall wurde zur weiteren Überprüfung zurückverwiesen, weil das Berufungsgericht einen Verfahrensfehler nach § 286 ZPO begangen habe, indem es sich allein auf seine eigene Sachkunde verlassen hat. Es hätte zu Beurteilung der urheberrechtlichen Schutzfähigkeit sachverständige Hilfe bei der Tatsachenfeststellung einholen müssen. Denn die eigene Sachkunde sei nicht nachgewiesen worden. Für die erforderliche Abgrenzung zum rein handwerklichen Schaffen „reicht das bloße Anhören eines Tonträgers durch den Tatrichter grundsätzlich nicht aus. Es wird für eine tatrichterliche Würdigung vielmehr im Regelfall die Hilfe eines Sachverständigen unerlässlich sein“. Das Gericht habe sich zwar auf Parteigutachten gestützt, doch die seien widersprüchlich und unter den Parteien umstritten. Bei solcher Sachlage sei „im Regelfall die Heranziehung eines gerichtlichen Sachverständigen notwendig“. Zudem sei eines der Parteigutachten aufgrund unzureichender Begründung substanzlos gewesen.

Ungewöhnlich hoch lobt die Kammer den Gerichtssachverständigen: „Diese Vorschusslorbeeren hat der Sachverständige nach Ansicht der Kammer durch sein Wirken im Rahmen des Verfahrens durchaus bestätigt.“

Das Gericht hätte die Übereinstimmung anhand objektiver Merkmale überprüfen müssen, um die eigenpersönliche Schöpfung festzustellen. Im Vergleich hätte ermittelt werden müssen, in welchem Umfang eigenschöpferische Züge des älteren Werkes im Gesamteindruck übernommen worden sind.

Die wiedereröffnete Berufungsinstanz müsse nun klären, ob eine freie Benutzung oder eine Schutzverletzung durch die Musikübernahme vorliegt oder die eigenschöpferischen Merkmale „trotz der unstreitig vorliegenden Tempoveränderungen, Transponierungen und dem teilweisen Einsatz eines Equalizers bei einem Vergleich des Gesamteindrucks nicht verblassen.“ Dass dabei gemeinfrei Teile ähnlich sind, sei unerheblich.

Zum Genresprung von Gothic zu Rap sei erstens zu überprüfen, ob durch den musikalischen Stilwechsel ein urheberrechtlicher Abstand hergestellt wurde und zweitens, ob es sich um eine Entstellung handelt, die eine schwerwiegende Beeinträchtigung des Urheberpersönlichkeitsrechts darstelle. Schließlich behandelten die Texte Gewalt und würden vom Durchschnittshörer als unangemessen eingestuft.


Bedeutung

Das Urteil sagt eindeutig, dass sich ein Gericht bei Fragen des musikalischen Abstands nicht auf die eigene Hörempfindung verlassen kann, es ist unbedingt die Expertise eines Musiksachverständigen einzuholen. Die Schutzfähigkeit der kurzen Sequenzen wurde angezweifelt.

Musik und Text sind getrennt zu betrachten. Daher kann ein Texter nicht klagen, wenn nur die Musik Streitgegenstand ist.

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Liste der Entscheidungen

Die Reihenfolge ist chronologisch (jüngste zuerst). Klicken Sie auf eine Kurzinfo, um weitere Informationen zu erhalten.
Gericht Datum Entscheidungsname
OLG Hamburg 2022 „Hey, Pippi Langstrumpf“
 Plagiat: schutzfähige Romanfigur im Liedtext
OLG Hamburg 2022 „Metall auf Metall“
 Sampling vs. Kunstfreiheit
LG Berlin 2021 „Kraftwerk“ vs. „Shrin David“
 Bearbeitung von 12 Noten
OLG Hamburg 2018 „FreiWIld“ vs. „Stahlgewitter“
 Doppelschöpfung wg. geringer Beweislast
OLG Zweibrücken 2015 „Barpiano“
 Plagiat von Piano-Arrangements
BGH 2015 „Goldrapper“
 Schutzfähigkeit kurzer verfälschter Samples
LG München 2008 „Still Got The Blues“
 Unfreie Übernahme eines Gitarrenriffs
OLG München 2002 „Conti“ vs "Struggle“
 Soundalike-Werbefilmmusik ist Freie Benutzung
BGH 2002 „Mischtonmeister“
 Schöpfung durch Tonabmischung
OLG München 1999 „Green Grass Grows“
 5 Töne sind nicht schutzwürdig
BGH 1997 „Please Don’t Go“
 Coverversion einer Bearbeitung unzulässig
BGH 1991 „Brown Girl I / II“
 Schutzfähigkeit der Bearbeitung eines Volksliedes
BGH 1988 „Fantasy“
 Melodieentnahme oder Doppelschöpfung
BGH 1988 „Ein bißchen Frieden“
 Gesamteindruck entscheidend
BGH 1980 „Dirlada“
 Geringe Gestaltungshöhe in der Popmusik
BGH 1970 „Magdalenenarie“
 Doppelschöpfung einer „wandernden Melodie“
BGH 1967 „Haselnuss“
 Bearbeitung durch schutzfähiges Arrangement
BGH 1958 „Lili Marleen“
 Übernahme eines Liedtextes

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